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Nich lang schnacken…

Die Profaney trieb mich unlängst nach Hamburg. Also, nich lang schnacken, Kopp in’n Nacken, Julius eingepackt und das Ross gesattelt. Denn wenn ich mich hier schon mit den Möwen um jedes Fischbrötchen streiten muss, kann ich die Gelegenheit auch nutzen, direkt einmal die hiesigen Reyche heimzu… zu besuchen wollte ich natürlich sagen.

Auftakt Brema

Hamburg. Bremen. Beides Hansestädte. Beide nicht so weit voneinander entfernt. Eigentlich. Aber dem Dampfross traue ich nicht mehr. Zu viel heiße Luft vielleicht. Und manchmal zu wenig. Laut Fahrplan nur eine gute Stunde zwischen den beiden Bahnhöfen, aber dann noch mit dem Nahverkehr vor Ort, die Rückreise nach der Sippung nur noch im Stundentakt… Da habe ich dann doch lieber auf ein Söldner-Benzinross vertraut. Flugs ging die Fahrt ab, ein Parkplatz war auch überraschend schnell gefunden, und die Arbeit konnte beginnen.

Wegweiser am Eingang der Hansaburg
Wegweiser am Eingang der Hansaburg

Allerdings hätte der Junker nicht nur auf den Stein ganz links schauen sollen. Ihm wäre manches erspart geblieben. Denn zeitgleich waren weitere gestandene Männer in festlichen dunklen Anzügen angereist. Schnell entbrannte ein fröhlicher Schnack, was denn den einen oder anderen nach Bremen getrieben hat, und wie es so ginge im Leben, allgemein und im besonderen. Gemeinsam betraten wir einen festlich geschmückten Saal und wurden dort von weiteren bereits anwesenden netten Männern herzlich begrüßt. Doch auf mein donnernd geschmettertes „Lulu“ schaute man mich an, als wäre ich ein Mondkalb, das auf einem Kürbis angeritten kommt und gleichzeitig mit Zitronen jongliert. So erfuhr ich dann, dass ich vor dem Festsaal hätte links abbiegen sollen, denn die Schlaraffen der Brema hausen im Keller. Zirkel und Winkel interessieren mich zwar auch, aber ein Abend in Uhu klang dann irgendwie doch spassiger, und so verabschiedete ich mich freundlich von den selbständigen Handwerkern, die sich Freimaurer nannten, und trat den Weg in die Katakomben an. Wie die Herren der Loge wohl erst geschaut hätten, wenn ich oben den Ameisenbären Julius ausgepackt hätte…?

Die Hansaburg

Sicherheitshalber schaute ich mich dort erst einmal genau um, doch war ich bald beruhigt: Dieses Schild in der Burg wirkte dann doch vertraut. Nach der Anmeldung beim Ceremonienmeister wurde ich von diesem direkt in einen kleinen Raum begleitet, wo eine herrliche Fischatzung (frischer Matjes mit Zwiebeln und Röstkartoffeln) auf Abnehmer wartete. Wer in die Brema kommt, der muss auch Fisch mögen, wurde mir vermittelt. Nun… das war nun keine Herausforderung. Schnell und munter geschmaust, dazu ein wenig Klönschnack, so verging die Zeit im Flug und die Sippung begann.

Die anwesende Sassenschaft freute sich sehr, dass Nachwuchs von „der Oma“ eingeritten war, und auch Prüfling Julius erregte einiges Aufsehen. Die Fechsungsliste war prall gefüllt, das Sippungsgeschehen nahm seinen fröhlichen Lauf, und viel zu schnell erklangen schon die Töne des Sippungsschlusslieduleins.

Holztafel der Brema in der Burg
Holztafel der Brema in der Burg
Prüfvermerk vom Junkermeister der Brema
Prüfvermerk vom Junkermeister der Brema

Spannend fand ich den Prüfvermerk des Junkermeisters unter meiner Fechsung, den ich so noch in keinem anderen Reych vorgefunden habe. Eine Pönbeteiligung für Knappen oder Junker, das ist neu. Ob und wie das in das Spiel integriert wird vermag ich nicht zu sagen, da keine Pön verhängt wurde. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass es sich hierbei nicht um ein Bestandteil des Spiels handelt. Denn eine bloße Beteiligung Dritter von der Junkertafel an einer etwaigen Pön einzig zu dem Zwecke, dass der Junkermeister weniger Mammon aus eigenem Beutel zu berappen hätte, wäre wenig schlaraffisch und eher profan motiviert. Und der Profaney Schlacken sind ja gerade abzustreifen, wie mir eingebläut wurde.

Doch etwas Schwermut schwingt mit…

Die Brema ist ein putziges kleines Reych, in dem ich mich auf Anhieb wohl gefühlt habe. Obwohl es mein erster Einritt war, hatte ich doch das Gefühl, irgendwie „nach Hause zu kommen“. Jedoch: mit inzwischen nur noch 25 Sassen (Quelle: AVS, 06.12.2023) leidet auch dieses Reych stark unter den Nachwuchssorgen Schlaraffias. Im Gespräch mit den Sassen hat mich vor allem betroffen, dass zwar ein Handlungsbedarf gesehen wird, aber jegliche Konzepte zur Nachwuchsgewinnung fehlen. Auf der Heimfahrt im Soldner-Benzinross habe ich noch viel darüber nachgedacht. Ich wünsche der Brema von ganzem Herzen, dass sie einen Ausweg aus der Situation finden möge . Es wäre zu traurig, wenn es hier wie bei Douglas Adams eines Tages hieße „Good Bye, and thanks for all the fish…“

Schlussakt Hammonia

Langsam wundere ich mich nicht mehr, dass kaum jemand je von Schlaraffia gehört hat: Auch die Hammonia fristet ein Dasein im Kellergeschoss. Aber hier hat man es geschickter angestellt: Das Logenhaus hat die Hausnummer 36, die Hansaburg die Hausnummer 36a. So sind Verwechslungen wie in der Brema von vornherein ausgeschlossen. Junkersicher.

Vorburg der Hammonia (36)
Vorburg der Hammonia (36)

In der in den Reychsfarben blau und rot eingerichteten Vorburg lauert schon die Styxin: Sie hat an diesem Abend hausgemachtes Hühnerfrikassee mit Reis für dreieinhalb Reychsmark vorbereitet. Alternativ kann man drei Schmalzstullen für einen Rosenobel (oder für den kleinen Hunger auch eine für einen Drittel Rosenobel) und weitere Köstlichkeiten erwerben. Und da so ein Junker natürlich immer hungrig ist, wird er doch vom Junkermeister und den Sassen des eigenen Reyches bei Brotkrumen und Regentropfen gehalten (und auch das nur an Feiertagen), kann er ob dieses Gaumenschmauses natürlich nicht widerstehen. Bei genüsslicher Atzung entbrennen auch schon bald angeregete Gespräche, und auch hier dreht sich viel um das Thema Nachwuchs. Indes, gedanklich scheint die Hammonia schon deutlich weiter zu sein als viele andere Reyche: Das Bewusstsein, Schlaraffia für den Nachwuchs attraktiver gestalten zu müssen ist hier gegenwärtig. Auch wurden schon Konzepte erdacht, und man zeigt sich offen für jede Anregung von außen. So finden die Webseite der Junkertafel der Colonia Agrippina und auch die Visitenkarten zur Bewerbung derselben höchsten Anklang. Und so ist auch in kürzester Zeit das Visitenkartenetui abgeerntet, dafür wurden neue Freundschaft geschlossen.

Wie üblich stört natürlich wieder einmal der Ceremonienmeister die innigen Gespräche. Er ruft höchstselbst, erstens zur Ordnung, zweitens zur Sippung auf, und bittet alle Schlaraffen in die Hansaburg. Auch die Burg ist in den Reychsfarben gehalten, aber großzügiger angelegt, und direkt links vom Eingang residiert die Junkertafel, die an diesem Abend randvoll besetzt ist und unter der strengen Knute von Rt Munin steht.

Schon der erste Teil ist herausragend, denn die Junkertafel versteht es immer wieder, dezent, doch dafür um so frecher in das Sippungsgeschehen einzugreifen. Der Junkermeister fördert das Spiel geschickt, und so wird dem Thron einiges abverlangt: Beispielsweise verfügt die Junkertafel über ein eigenes Liedbuch mit geheimen Aufzeichnungen zum Schnorrlied. Wird der Klang angestimmt, sind die ersten drei Stophen unspektakulär. Doch die letzte, von der Junkertafel allein gesungene Strophe, wird mit einem alternativen Liedtext dargeboten, der aus besagtem geheimen Büchlein stammt. Und hier, liebe Freunde, sind nicht etwa nur eine, zwei, oder fünf alternative Texte enthalten. Die Fülle an Material ist schier unerschöpflich, so dass sich über den Zeitraum einer gesamten Winterung der Text nie wiederholt! Kurz vorher wird die Nummer der Strophe ausgewählt und spontan gesungen. Eine sehr schöne schlaraffische Idee, wie aus einer Routinehandlung ein schönes Spiel werden kann.

Thron der Hammonia (3815. Sippung)
Thron der Hammonia (3815. Sippung)

Auch im zweiten Teil läuft ein wunderbares, geistvolles Spiel unter dem Thema „Mundarten: Missingsch, Platt u bayrisch“ ab, und tatäschlich zeigt sich eine wundervolle Bandbreite an Dialekten. Den Auftakt macht Junker Karsten aus der Colonia, der in einem kurzen Vorwort erläutert, warum der Ameisenbär Prüfling Julius nicht fechsen darf, dafür dann aber mit einer eigenen Ruhrpott-Fechsung im Stil von „Else Stratmann“, einer fiktiven Romanfigur von Else Stratmann, den Fechsungsreigen eröffnet. Diverse Plattdeutsch-Dialekte sind später zu hören, Bayrisch, Fränkisch, Sächsisch sogar, und da Junker Karsten ein „Immi“ ist, übernimmt Ritter Munin das Panier und fechst abschließend zum Kölschen Grundgesetz. Es olgen noch einige Anekdoten von Tünnes und Schäl, und dann ist es leider uch schon an der Zeit Abschied zu nehmen, denn es folgt noch die Schlaraffiade. Gerne hätte ich noch bei einer Krystalline gesessen, doch die Profanei ruft leider und verlangt ihren Tribut, indem sie nach einem ausgeschlafenen Junker verlangt.

Abschließend kann ich nur sagen, dass sich ein Besuch in der Hammonia auf jeden Fall lohnt und süchtig machen kann. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen und zusehen, dass ich ein Fähnlein der Colonia Agrippina mit im Schlepptau habe, allerdings werde ich dann vermutlich nicht mehr an der Junkertafel sitzen.
Und natürlich hoffe ich auch auf einen Gegenbesuch der Hammonia Sassen in der Colonia Agrippina.
Vielleicht zu einem besonderen feierlichen Anlass?

Die Fotos aus der Hammonia wurden von Knappe 72 aus dem h.R. Perla Sylta (344) gefechst.
Die Veröffentlichung des Fotos aus der 3815. Sippung erfolgte mit freundlicher Genehmigung durch Rt Habemus (36).