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Hercule Uhu und der verschwundene Freund

An einem sonnigen Frühlingstag saß Detektiv Hercule Uhu in seiner privaten Bibliothek. Er las mit großem Interesse ein Buch von Joanne K. Rowling und war ganz hingerissen von den wundersamen Fähigkeiten des Spiegels Nehergeb, einem Artefakt aus der Welt von Harry Potter, als er ein klopfendes Geräusch vernahm.
Er stand auf und ging ans Fenster und – er konnte seinen Augen kaum trauen – da stand eine große Schnee-Eule auf seinem Fenstersims und pickte mit ihrem Schnabel an die Scheibe.
Hercule Uhu öffnete das Fenster und zu seiner grenzenlosen Überraschung hüpfte die Eule auf seine Hand und streckte ihm ihr Bein hin. Dort war eine Pergamentrolle befestigt, die der Detektiv behutsam an sich nahm. Mit einem lauten Schu-Hu verschwand die Eule wieder nach draußen und Hercule Uhu entrollte das Pergament. Auf einer Karte Osteuropas war eine Stelle mit einem X markiert, dazu ein paar Koordinaten und die Worte „Hilfe“ und „Dringend“. Ein zwinkernder Uhu war in die Ecke gekritzelt. Doch als unser Held die Unterschrift entzifferte, erschrak er unwillkürlich, denn „Iolaus“ war sein bester Freund, von dem er schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen oder gehört hatte…
So packte er in aller Eile seine wichtigsten Utensilien zusammen und machte sich auf den Weg zu dem Ort, den das X auf der Karte markierte – einem Lokal mit dem Namen „Freund’s Restauration“ in Prag, wie er nach kurzer Recherche herausfand.
Nach einem langen Flug kam Hercule Uhu erschöpft und durstig an seinem Ziel an. Die Tafel im Eingangsbereich warb mit „Branik“ Bier und tschechischer Hausmannskost. Und so betrat der Detektiv die Gaststätte, ohne Recht zu wissen, was ihn dort wohl erwarten möge.
Er setzte sich an einen kleinen Tisch und bestellte Vepřo-knedlo-zélo mit einem frisch gezapften Branik. Atzung und Labung wurden ihm gebracht, da entdeckte Hercule Uhu auf dem Bierdeckel eine Nachricht: „Willst finden Du Freund Iolaus, so suche ihn ganz hinten im Haus“. Kurzum stand er auf und durchquerte die Gaststätte, immer weiter nach hinten. Im letzten Raum des Lokals fand eine kleine Tür mit einer hölzernen Gedenktafel, in die ein Uhu eingraviert war. Er öffnete die Tür und trat in einen kaum beleuchteten engen Flur, als mit einem lauten Krachen die Tür zufiel und er das Knarzen eines Riegels hörte – von nun an gab es wohl kein zurück.
Und so folgte er dem Gang, der in eine kleine Kammer mündete. Auf einem Tisch lagen zahlreiche Holztäfelchen – einige rund und mit Namen wie „Franz Liszt“ oder „Peter Paul Rubens“ beschrieben, andere eckig mit Bezeichnungen kultureller Werke, wie „Mona Lisa“ oder „Die Zauberflöte“. Der Tisch hatte eine Reihe von Aussparungen, in die die Holztäfelchen eingesteckt werden konnten. Hercule Uhu erkannte schnell, dass es sich um ein Rätsel handeln musste und so ordnete er die Werke den Künstlern zu. Doch erst als er alles auch chronologisch sortiert hatte, hörte er ein leises Klicken und in der rückwärtigen Mauer erschien ein Durchlass.
Mutig trat er hindurch und kam in eine weitere Kammer. Auf einer Säule stand eine Figur von einem Uhu mit einer Narrenkappe und einem Szepter. Als er sich die Statue näher ansah, sprach der Uhu mit dröhnender Stimme: „Was sitzt auf dem Baum und winkt?“. Ein Moment des Zögerns und unser Meisterdetektiv erwiderte: „ein HUHU“. Ein kehliges Lachen erschall. Erneut sprach die Stimme: „Was sitzt auf dem Baum und ruft ‚AHA‘?“. Er grübelte ein Weilchen und antwortete zaghaft „Ein Uhu mit Sprachfehler…?“.
Ein Kichern, dann ein weiteres Klicken und eine weitere versteckte Tür wurde sichtbar. Und so betrat er den nächsten Raum – groß, rund, hell erleuchtet von zahlreichen Kerzen und gegenüber der Tür stand ein großer Spiegel. Er traute seinen Augen kaum, doch der Spiegel entsprach haargenau seinen Vorstellungen des Spiegels Nehergeb, von dem er vor kurzem noch in seinem Roman gelesen hatte.
Inspiriert von Harry Potter stellte er sich direkt vor den Spiegel und blickte hinein. Wie in der Erzählung sah er, was er am meisten begehrte – seinen Freund Iolaus, wohlbehalten und bei bester Gesundheit. Dieser saß an einem Tisch und wälzte ein seltsames Heftchen. Neben ihm stand ein runder Gong. Und wieder ertönte eine dröhnende Stimme, die fragte: „Wann wird gerührt und wann geschlagen?“
Darauf hatte Hercule Uhu keine Antwort. Hilfesuchend sah er sich im Raum weiter um, doch der Raum war leer. Ein weiterer Blick in den Spiegel und er sah, wie Iolaus ihm etwas in die Manteltasche steckte. Exakt in diesem Moment fühlte er, dass tatsächlich etwas in seinen Mantel gesteckt wurde. Er nahm es heraus und starrte verblüfft auf exakt das seltsame Heftchen, in das Iolaus im Spiegel auch vertieft war. Hercule Uhu blätterte ein wenig darin herum und zu seiner Überraschung wurde er fündig. In §1 des Ceremoniale, las er „Der fungierende Oberschlaraffe ordnet den Tamtamschlag an“. Am Ende des gleichen Paragrafen heißt es dann unter Ziffer 32 „Reychsmarschall rührt das Tamtam“. Er hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, doch er kombinierte: Am Anfang wird geschlagen, am Ende wird gerührt.
Kaum hatten sich die Gedanken vervollständigt, da erklang eine Fanfare. Der Spiegel löste sich auf und an seiner Stelle stand Iolaus, gesund und munter.
Eine weitere verborgene Tür öffnete sich und die beiden betraten erleichtert, fröhlich und glücklich den Schankraum des Lokals, wo sich beide bei Vepřo-knedlo-zélo mit einem frischen Branik-Bier viel zu erzählen hatten.

Und so endet das Abenteuer von Hercule Uhu, der durch seine Kenntnisse der Kunst, dem Sachverstand für Humor und seine bedingungslose Freundschaft alle Aufgaben lösen konnte, hinter denen sich die schlaraffischen Ideale versteckten.
Tatsächlich wurde am 10. Oktober 1859 in ebendiesem Lokal „Freund’s Restauration“ in Prag die Schlaraffia gegründet. Das Lokal ist nur etwa 100m von der damaligen Burg bzw. dem Alcron Radisson Hotel entfernt.
Lulu
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