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Der Weintrinker

Wir treffen uns seit vielen Jahren am Wochenende im „Löwen“. Es ist ein kleines, nettes Lokal, das fast nur von Stammgästen frequentiert wird. Wir sind 8-10 Männer, alle schon etwas älter und in Pension, aber alle noch geistig geschärft.

Sinn der Abende ist, den Alltag hinter uns zu lassen, und sich gegenseitig mit abwechslungsreichen Vorträgen zu unterhalten, das Fludium nutzen zu einem witzig-geistvollen Spiel von Rede und Gegenrede, so ist dann auch unser Motto „litteris et artibus“ (für Wissenschaft und Kunst).

Einer kommt wie immer etwas zu spät. Wir nennen ihn Codex, denn er ist Jurist. Nachdem er uns reihum begrüßt hat, ruft er Agnes: „Bring mir bitte von meinem guten Pfälzer!“ Agnes ist die, die uns an den Abenden versorgt, kleine Bissen und Getränke.

Weingläser mit Spiegelung im Sonnenuntergang

Einer kommt wie immer etwas zu spät. Wir nennen ihn Codex, denn er ist Jurist. Nachdem er uns reihum begrüßt hat, ruft er Agnes: „Bring mir bitte von meinem guten Pfälzer!“ Agnes ist die, die uns an den Abenden versorgt, kleine Bissen und Getränke.

Codex ist der einzige der Wein trinkt, denn er wohnt im Gangabstand, während wir anderen uns mit Wasser oder Cola begnügen müssen, weil wir mit dem Auto kommen. 

Agnes kommt, setzt den Wein vor ihn hin und sagt: „Wohl bekomms.“

Er nimmt den Humpen, hält ihn gegen das Licht, bewundert den goldigen Glanz, zieht tief den Duft des Weines  ein, und nimmt den ersten Schluck, tut dann einen tiefen Seufzer des Wohlbehagens.

Unsere Unterhaltung dreht sich meist um Literatur, Musik, Theater und Malerei. Natürlich auch Tratsch. Nur Politik und Religion bleiben außen vor. 

An diesem Abend wollten wir über Expressionismus in der Kunst sprechen. Es wurde sehr angeregt. Es fielen Namen wie Max Pechstein, Franz Marc, Ludwig Kirchner, Benn, Heym, Reger, Mahler, Skryabin und noch viele mehr.

Wir am Tisch sind eine bunte Mischung. Da sind Mediziner, Juristen, Chemiker, Physiker, Banker, Lehrer. Ich bin der einzige der kein Abitur gemacht hat. Alle enorm belesen und an allen Kunstarten interessiert. Einige spielen auch ein Instrument. Jeder kann, muss aber nicht etwas beitragen, ernst oder humorvoll, Prosa oder gereimt, Dichtung oder Wahrheit. 

So verfließen der Abend und die Unterhaltung, es wird etwas lauter, die Augen glänzen und die Wangen sind leicht gerötet. Agnes läuft im Schüttelverkehr und bringt unserem Codex seinen guten Pfälzer.

Als die Mitternachtsstunde naht und man sich zum Aufbruch vorbereitet, ruft Codex: „Agnes, noch einen Letzten“.
Und wieder kommt Agnes, setzt das Glas vor ihn hin und sagt: „Wohl bekomms.“

Und wieder hebt er den Humpen gegen das Licht, zieht tief den blumigen Duft des Weines ein und nimmt einen tiefen letzten Schluck. Er tut einen tiefen Seufzer und behält das Glas in der Hand, schaut fröhlich in die Runde und sagt mit einem leisen Lächeln und leichtem Kopfschütteln:
„Und das wollte mir mein Arzt verbieten!“

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